Erste Hilfe mit „BEFAST“: Wie Sie Menschen mit einem Schlaganfall helfen können
Rund 270.000 Menschen in Deutschland erleiden jedes Jahr einen Schlaganfall. Tendenz steigend. Denn mit zunehmender Zahl an Seniorinnen und Senioren steigt auch die Zahl an Personen, die einen Schlaganfall haben. Umso wichtiger ist es, beim Schlaganfall Bescheid zu wissen – und Betroffenen schnellstmöglich zu helfen.
Wenn ein Mensch eine Durchblutungsstörung im Gehirn und damit einen Schlaganfall erleidet, zählt jede Sekunde. Bei diesen Menschen ist entweder eine Gehirnarterie verstopft, die es sonst mit Blut und Sauerstoff versorgt. Oder aber eine Gehirnarterie ist geplatzt, sodass es zu einer Hirnblutung kommt und essenzielle Bereiche des Gehirns abrupt nicht mehr versorgt werden.
Die Folge: Bleibt eine unverzügliche Behandlung des Schlaganfalls aus, kann das schwere neurologische Folgen haben. „Jeden Tag passieren Menschen Schlaganfälle. Man darf nicht vergessen: Nach Herzinfarkt und Krebs sind Schlaganfälle die dritthäufigste Todesursache in Deutschland“, sagt Volker Reuter. Er ist Notfallsanitäter und Praxisanleiter im DRK-Rettungsdienst Potsdam-Mittelmark. Für Notfallsanitäter wie ihn zählt das Behandeln von Betroffenen eines Schlaganfalls zum Berufsalltag im Rettungsdienst.
Mit dem BEFAST-Schema einen Schlaganfall erkennen
Klagt ein Mensch über eine verschwommene Sicht, Gleichgewichtsstörungen und kann nicht einmal mehr die Hand, die man vor seine Augen hält, als solche identifizieren, deutet sich ein Schlaganfall an. Zur Erkennung wenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Rettungsdiensten das sogenannte BEFAST-Schema an:
- B für Balance: Prüfen Sie, ob sich die Person hinsetzen kann. Schwankt sie zu einer Seite? Gibt es eine Körperneigung beim Gehen?
- E für Eyes (Augen): Klagt die Person über eine verschwommene, unscharfe Sicht? Schielt ein Auge möglicherweise in Richtung der mutmaßlich geschädigten Gehirnhälfte?
- F für Face (Gesicht): Bitten Sie die Person, zu lächeln. Bewegen sich beide Mundwinkel nach oben? Bei einem Schlaganfall hängt ein Mundwinkel nach unten. Auch ein hängendes Augenlid kann ein Hinweis auf einen Schlaganfall sein.
- A für Arms (Arme): Kann die Person beide Arme ausstrecken und die Handflächen nach oben drehen? Bei einem Schlaganfall ist das nicht möglich und der Arm auf der geschädigten Körperseite fällt wieder nach unten.
- S für Speech (Sprache): Nuschelt die Person vor sich hin und kann selbst einfache Sätze nicht mehr formulieren? Ein Merkmal eines Schlaganfalls ist die Aphasie. Dabei handelt es sich um eine Wortfindungsstörung. „Ich hatte den Fall, dass mir ein Betroffener sagen sollte, was ich ihm gerade für einen Gegenstand zeige. Er antwortete mit ‚Bauklotz‘, obwohl er einen Kugelschreiber anschaute“, sagt Notfallsanitäter Volker Reuter.
- T für Time (Zeit): Fragen Sie die betroffene oder eine Kontaktperson, wie lange die Symptome schon anhalten, die vorher via „BEFAS“ geprüft wurden. Je länger Hirnbereiche nicht mit Blut und Sauerstoff versorgt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit von bleibenden neurologischen Schäden. Darum bedeutet „Zeit“ auch: keine Zeit verlieren und umgehend die 112 sowie den Rettungsdienst rufen, damit die betroffene Person zur Behandlung schnellstmöglich ins Krankenhaus kommt.
Wie sich ein Schlaganfall ankündigen kann
Warum das BEFAST-Schema beim Erkennen von Schlaganfällen so wichtig ist, weiß Volker Reuter noch aus einem weiteren entscheidenden Grund: „Bei einem Verdacht auf einen Schlaganfall ist das BEFAST-Schema die einzige Möglichkeit der Ersten Hilfe.“
So überraschend ein Schlaganfall auch kommen kann: Oft kündigt er sich an. Dann, wenn Menschen schwindelig oder übel ist, sie Kopfschmerzen haben und ohne Grund Doppelbilder sehen, steht ein Schlaganfall bevor oder hat bereits begonnen.
Warum immer mehr Schlaganfälle passieren
Dass es überhaupt zu einer Durchblutungsstörung im Gehirn kommt, kann verschiedene Gründe haben. Vor allem eine zu fetthaltige Ernährung, ausbleibende Bewegung, Bluthochdruck, Diabetes und Zigarettenkonsum können den Blutfluss beeinflussen und zu einem Schlaganfall (im Volksmund auch als Hirninfarkt bekannt) führen.
Besonders Seniorinnen und Senioren sind von Schlaganfällen betroffen. „Trotzdem können Schlaganfälle in jedem Alter passieren. Ich habe das BEFAST-Schema schon mit einer 39-Jährigen durchgeführt, die einen Schlaganfall erlitten hatte“, erinnert sich Volker Reuter.
Mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung in Brandenburg und in ganz Deutschland sowie der steigenden Zahl an Seniorinnen und Senioren dürfte auch die Zahl von jährlich rund 270.000 Schlaganfällen in Deutschland steigen. Umso wichtiger ist es, das BEFAST-Schema zu beherrschen.
- Jedes Jahr am 29. Oktober ist der internationale Schlaganfalltag. Der Aktionstag hat das Ziel, das öffentliche Bewusstsein für Schlaganfälle zu stärken. Dafür setzt sich insbesondere die Welt-Schlaganfall-Organisation (WSO) ein, die 2021 mit dem Hashtag #Precioustime (auf Deutsch: kostbare Zeit) eine Kampagne durchführt, die die Menschen weltweit für Schlaganfälle sensibilisieren soll.
- Foto: Luis Quintero / Unsplash