„Schönster Job der Welt“: Warum Ilonka Ullrich vom DRK-Heimatstern Potsdam so gerne Erzieherin ist
Ilonka Ullrich ist eine von drei Mitarbeiterinnen des Kinder- und Jugendhilfeverbunds im Kreisverband, die im März 2022 ihr 30-jähriges Dienstjubiläum gefeiert haben. Dabei ist die Erzieherin und stellvertretende Leiterin des DRK-Heimatsterns Potsdam schon länger am Standort Pietschkerstraße im Einsatz. Dort, wo sie Tausende Kinder und Jugendliche mit dem Team betreut und begleitet hat. Für die Rubrik „5 Fragen an“ erzählt sie, warum es keinen schöneren Beruf als den der Erzieherin und des Erziehers gibt – und über Wiedersehen mit Kindern und Jugendlichen nach Jahrzehnten.
Der DRK-Kreisverband Potsdam/Zauch-Belzig ist groß und vielfältig. In den verschiedenen Einrichtungen wie der Werkstatt für Menschen mit Behinderungen über den Rettungsdienst bis zur Geschäftsstelle in Nuthetal arbeiten rund 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Genau sie sind es, die den Kreisverband täglich mit Leben füllen.
In der Rubrik „5 Fragen an” sollen sie einen Einblick in ihr Engagement beim DRK geben. Außerdem erzählen sie, wie sie zum Kreisverband gekommen sind. Meinungen zu Tagesaktuellem sowie persönliche Anekdoten inklusive. In der neuen Ausgabe stellen wir Ilonka Ullrich als stellvertretende Leiterin des DRK-Heimatsterns Potsdam vor.
Frau Ullrich, Sie haben im März 2022 ihr 30. Dienstjubiläum gefeiert. Können Sie sich noch an ihren ersten Arbeitstag als Erzieherin im Kinder- und Jugendhilfeverbund beim DRK erinnern?
I. Ullrich: 30 Jahre bei demselben Arbeitgeber, das ist schon der Wahnsinn. Die Zeit der Wende liegt in diesem Zeitraum und viele Höhen und Tiefen sowie positive Veränderungen beim DRK-Kreisverband.
Eigentlich bin ich schon seit 1987 am Standort Pietschkerstraße. Dort habe ich – noch zur DDR-Zeit – als sogenannte sozialistische Hilfe ausgeholfen. Damals war die Einrichtung noch ein Säuglings- und Kleinkindheim und weckte sofort mein Interesse. Dann sind wir 1992 eine Rotkreuz-Einrichtung geworden und mein erster Arbeitstag beim DRK fühlte sich gar nicht so an, weil ich schon fünf Jahre vor Ort gewesen bin. Als Erzieherin im Bereich stationäre Hilfen zur Erziehung habe ich meine Berufung gefunden und somit den schönsten Job der Welt für mich entdeckt. Mir war schon immer klar, dass ich mit Menschen arbeiten möchte und gerne etwas zurückgeben würde von dem Glück, das mir zu Teil geworden ist.
Was macht den Job der Erzieherin bzw. des Erziehers so schön?
I. Ullrich: Das Besondere ergibt sich aus verschiedenen Punkten. Einerseits hält die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen jung, ist enorm abwechslungsreich und gerade in unserem Bereich von einer hohen Sinnhaftigkeit geprägt. Jeder Tag ist anders und erfordert ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft, Flexibilität und Empathie.
Wir als Team geben den Kindern und Jugendlichen für eine gewisse Zeit ein Zuhause, arbeiten aber gleichzeitig mit den Eltern auf Augenhöhe zusammen und sehen uns nicht als Konkurrenz. Eltern bleiben Eltern. Wir als Heimatstern-Team betreuen die Kinder und Jugendlichen 365 Tage im Jahr, 24 Stunden an sieben Tagen die Woche. Das muss man leben und lieben und mit dem eigenen Privatleben vereinbaren können.
► „Wir arbeiten mit den Eltern auf Augenhöhe zusammen und sehen uns nicht als Konkurrenz. Eltern bleiben Eltern.“
Ilonka Ullrich, Erzieherin im DRK-Heimatstern Potsdam
Familienanalog sind wir für alle Belange der Kinder und Jugendlichen zuständig: Wir kochen und spielen zusammen, machen Hausaufgaben, nehmen Arzttermine wahr, trösten und lachen. Die Kinder kommen aus einem sozial-emotional schwierigen Umfeld und haben schwere Zeiten mit ihren Eltern sowie Schicksalsschläge erlebt. Es erfordert ein hohes Maß an pädagogischen Fähigkeiten und Fachwissen, damit wir kompensierend wirksam werden können.
Bei aller Empathie mit den Kindern und ihrer Situation ist es unsere Aufgabe, die professionelle Distanz zu wahren und als Fachkräfte zu agieren. Schließlich ist es unser größtes Anliegen, dass Eltern und Kinder wieder zusammenleben können und eine gemeinsame Zukunft haben.
Wie hat sich ihr Arbeitsalltag in den Jahrzehnten verändert?
I. Ullrich: Erst einmal ist unsere Einrichtung schon lange kein Säuglings - und Kleinkindheim mehr, Kinder unter vier Jahren werden in Pflegefamilien oder Pflegestellen betreut. Dadurch ist der Alltag für Erzieherinnen und Erzieher komplexer, vielfältiger und anspruchsvoller geworden. Gleichzeitig bin ich froh, dass unser Team so fantastisch gewachsen ist. Wir haben Auszubildende und Freiwilligendienstleistende im Team, die quasi wie ich damals anfangen – heute in unserem schönen Heimatstern – und sich dadurch wahrscheinlich auch in diesen Bereich verlieben und bleiben.
Wir sind unheimlich stolz, seit Dezember 2019 im neu gebauten Heimatstern gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen zu leben und zu arbeiten. Das Projekt Heimatstern wurde von den Architekten gemeinsam mit den Kindern, Jugendlichen sowie unserem Team geplant und ist ein wunderbares Beispiel für Partizipation und Demokratie.
► „Ich bin froh, dass unser Heimatstern-Team so fantastisch gewachsen ist.“
Ilonka Ullrich, stellvertretende Leiterin des DRK-Heimatsterns Potsdam
Außerdem bietet der Beruf viele Möglichkeiten, sich weiterzubilden – Stillstand ist keine Option. Zum Beispiel habe ich mich zur Mediatorin weitergebildet und möchte 2022 noch die Spezialisierung Familienmediation abschließen. Das kann ich dann in unserem konfliktbehafteten Arbeitsfeld einsetzen, um mit den Medianten Konflikte konstruktiv und deeskalierend zu bearbeiten und als Mediatorin neutral und allparteilich die Parteien unterstützen, selbst Problemlösungen zu entwickeln, die nachhaltig und langfristig sind.
Meine Position der stellvertretenden Leitung im Heimatstern brachte natürlich ebenfalls viele Veränderungen mit sich. So habe ich jetzt Bürotage, an die ich mich erst gewöhnen musste und natürlich mehr Verantwortung, die ich gerne übernommen habe.
Sie haben sich als Potsdamerin am Standort Pietschkerstraße um Tausende Kinder und Jugendliche gekümmert. Wie oft gibt es Wiedersehen mit ehemaligen Kindern und Jugendlichen?
I. Ullrich: Manchmal gibt es diese Wiedersehen. Grundsätzlich geht es mir aber eher darum, was ich den Kindern und Jugendlichen mit auf den Weg gebe, damit sie die gleichen Chancen wie andere Kinder haben. Die meisten erinnern sich gern an die Zeit bei uns zurück und sind im Nachhinein dankbar. Selbst, wenn so manche Konflikte ausgetragen wurden.
Bei der Heimatstern-Eröffnung im Dezember 2019 ist auch ein junger Mann vorbeigekommen, den ich in meiner Anfangszeit als Baby betreut habe. Er ist natürlich mittlerweile Erwachsen und macht auf dem zweiten Bildungsweg eine Ausbildung zum Erzieher. Es hat mich total gefreut, ihn wiederzusehen. Vor allem aber, dass er aus seinem Leben etwas gemacht hat und wir ihn bei seinem schwierigen Start ins Leben unterstützen konnten.
► „Es ist mein Anspruch, den Kindern und Jugendlichen etwas mit auf den Weg zu geben, damit sie die gleichen Chancen wie andere Kinder haben.“
Ilonka Ullrich, Erzieherin im DRK-Heimatstern Potsdam
Insgesamt passieren diese Wiedersehen aber selten. Es ist unser Anliegen, dass die Kinder so schnell wie möglich wieder zu Hause leben sollen. Gut möglich, dass ich mich bei der Vielzahl an Kindern und Jugendlichen nicht an alle erinnern kann, wenn sie nur eine kurze Zeit in unserer Einrichtung gewesen sind. Übrigens: Wir planen für Interessierte ein Ehemaligentreffen und es wird sicher viele Ohs und Ahs geben, wenn Ehemalige uns in unserem neuen DRK-Heimatstern besuchen.
Wie kommt es, dass Kinder und Jugendliche Verhaltensauffälligkeiten entwickeln?
I. Ullrich: Kein Kind wird mit einer Verhaltensauffälligkeit geboren. Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Kinder diese relativ schnell verlieren, wenn sie einen geregelten Alltag haben, wir ihnen Vertrauen, Empathie und Wärme geben. Nicht alle Eltern machen und können das, den eigenen oft schwierigen Lebenssituationen geschuldet. Wir erleben regelmäßig, dass Eltern mit ihrem Kind überfordert sind und die Unterstützung durch uns Fachkräfte gerne annehmen.
Alle Kinder lieben ihre Eltern bedingungslos und die stationäre Unterbringung geht nicht spurlos an ihnen vorbei. Da sind wir gefordert, um die Kinder und Jugendlichen sozial und vor allem emotional aufzufangen.
► „Kein Kind wird mit einer Verhaltensauffälligkeit geboren.“
Ilonka Ullrich, Erzieherin im DRK-Heimatstern Potsdam
Es gibt auch Eltern, die froh sind, dass ihr Kind bei uns in guten Händen ist. Sie wünschen sich für ihr Kind eine bessere Zukunft als die eigene und sind sich bewusst, dass sie die ihrem Kind ohne Unterstützung nicht ermöglichen können.
Was für mich genauso wie für die meisten Eltern feststeht und wir niemals vergessen sollten: Jedes Kind ist ein Geschenk und etwas Wunderbares. Mutter und Vater zu werden, ist mit nichts auf der Welt vergleichbar.
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